Dienstag, 15. November 2011

Interview mit dem Regisseur Dennis Gansel

Sie haben kürzlich die Dreharbeiten zu Ihrem neuesten Film „Im Jahr der Schlange“ beendet, der sich mit dem Terrorismus in Russland beschäftigt. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Das Drehbuch, das ich bereits im Jahr 2000 geschrieben habe, spielte ursprünglich in Italien und erzählte von den Roten Brigaden Ende der 1970er Jahre. Nachdem wir damals keine Förderung bekamen, ruhte der Stoff erst einmal einige Jahre. Im Winter 2004 reiste ich dann für „Napola“ nach Moskau. Ich begann zu recherchieren und kam auf die Idee, dass Russland auch einen spannenden Hintergrund für „Im Jahr der Schlange“ abgeben könnte. Im Kern behandelt der Film das Thema Staatsterrorismus. Warum also die Geschichte in der Vergangenheit erzählen, wenn sich Vergleichbares gerade im Russland der Gegenwart abspielt. Nur wenige Monate später wurde übrigens die russische Journalistin Anna Politkowskaja ermordet. Ich habe den Stoff 2006 dann umgeschrieben. Danach hat es noch einmal vier Jahre gedauert, bis wir drehen konnten.

Die Geschichte handelt von einem Berliner Szenejournalisten, gespielt von Moritz Bleibtreu, der in Moskau bei einem Boulevard-Magazin anheuert, sich in eine Russin verliebt und schließlich im Gefängnis landet. Er wird verdächtigt, an einem terroristischen Anschlag beteiligt zu sein. Ein Dreh in Russland ist sicher kein leichtes Unterfangen.

Der Plan war, komplett in Russland zu drehen. Letztendlich haben wir aber nur zwei Tage in Moskau gedreht, weil die politische Lage schwierig war und die Stadt unglaublich teuer ist. Für einen Dreh unserer Größenordnung wäre das nicht zu stemmen gewesen. Wir haben deshalb auf einen Trick zurückgegriffen. Da wir eine Förderung aus Berlin bekamen, haben wir alle Innenszenen dort gedreht. Viele Gebäude entlang der Frankfurter Allee wurden von Architekten entworfen, die sowohl in Deutschland als auch in Moskau gearbeitet hatten. Das passte perfekt. Ein Großteil der Außenszenen entstand in der Ukraine, in Kiew. Dort gibt es eine funktionierende Filmindustrie, die längst nicht so teuer ist, und auch die politischen Umstände sind wesentlich einfacher.

Viele Schauspieler und Teammitglieder stammten aus Russland bzw. der Ukraine. Wie muss man sich die Zusammenarbeit in einer internationalen Crew vorstellen?

Gerade in der Ukraine ist das Niveau der Kollegen unglaublich hoch. Viele von ihnen waren selbst jahrzehntelang Teil der UdSSR und hatten noch lebhafte Erinnerungen an die terroristischen Anschläge, die unserer Geschichte als Vorbild dienten. Sie haben ihre ganz eigene Theorie dazu, was sehr bereichernd für den Stoff war und seiner Glaubwürdigkeit sehr zuträglich. Außer Moritz Bleibtreu und Max Riemelt stammten fast alle Darsteller aus Russland oder der Ukraine. Die Rolle von Max war ursprünglich als Deutscher angelegt. Kurz vor Drehbeginn habe ich ihm gesagt, dass wir es uns anders überlegt hätten und er jetzt einen Russen spiele. Er musste dann innerhalb einer Woche einen Akzent lernen, was er super gemacht hat.

Für „Im Jahr der Schlange“ haben Sie zum ersten Mal auf Englisch gedreht.

Ich hatte wahnsinnig Angst davor, letztendlich lief aber alles gut. Glücklicherweise hatten wir mit Moritz Bleibtreu einen Hauptdarsteller, der fließend Englisch spricht und mit dem ich gleichzeitig Deutsch sprechen konnte. Das hat geholfen. Irgendwann hat sich das eingegroovt. Wir hatten außerdem Dialogue Coaches am Set, die auf die richtige Betonung geachtet haben. Die viel größere Herausforderung war, dass wir sehr wenig Tageslicht hatten, da wir im Winter gedreht haben. Es war unglaublich kalt, und die Temperaturen lagen manchmal bei minus 25 Grad. Das war extrem hart. Du stehst morgens bei Dunkelheit auf und wenn du nach dem Dreh raus kommst, ist es schon wieder dunkel. Das zerrt an den Nerven.

Ihre Karriere als Filmemacher und Geschichtenschreiber begann schon zu Schulzeiten. Ein Mädchen namens Nataly soll dabei eine zentrale Rolle gespielt haben. 

An der Schule wollten wir alle irgendetwas Künstlerisches machen. Und natürlich ging es darum, die Frauen zu beeindrucken. Weil wir uns mit Musik nicht auskannten, haben wir angefangen, Filme zu machen, was damals noch unglaublich exotisch war. Leider hat es mit Nataly trotzdem nicht geklappt. Ich hatte zwei Chancen, die ich aber versemmelt habe. Als mein erster Film fertig war, habe ich ihr damals eine Ankündigung geschickt – an die Adresse ihrer Mutter. Ich weiß nicht, ob sie je davon erfahren hat. Ich habe sie neulich noch einmal gegoogelt. Mittlerweile ist sie wohl Redakteurin und macht auch irgendetwas mit Film. Vielleicht sollte ich sie irgendwann mal fragen, ob sie einfach keine Lust hatte, sich zu melden. Dann wäre die Sache abgeschlossen. Wie das eben so ist: Die ersten großen Lieben vergisst man nicht. 

Das ganze Interview sowie noch weitere Fotos gibt`s in der Ausgabe 01/11 des IDEAL! Interview Magazins unter www.ideal-magazin.de.

Foto: Oliver Reetz - www.oliver-reetz.de
Text: Gudrun Schulz